Klimawissen
Klimapolitik einfach erklärt
1,5-Grad-Limit

CO2-Budgets

CO2-Preise

Sozialer Ausgleich & Klimadividende

CO2-Preis-Rechner

Nationaler CO2-Preis & Brenn­stoff­emissions­handels­gesetz

EU-Klimapolitik & EU-Emissionshandel

Weitere Themen

Frequently Asked Questions

1,5-Grad-Limit


Das Klimaabkommen von Paris wurde am 12. Dezember 2015 beschlossen und ist eine völkerrechtlich bindende Vereinbarung zur Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen. Fast 190 Vertragsparteien, darunter alle EU-Mitgliedsstaaten und die EU als Ganzes, haben es unterzeichnet.

Das Abkommen legt unter anderem Folgendes fest:

  • Begrenzung der Erderwärmung: Die globalen Durchschnittstemperatur soll deutlich weniger als 2°C über das vorindustrielle Niveau ansteigen. Darüber hinaus will die Staatengemeinschaft Anstrengungen unternehmen, damit es nicht mehr als 1,5°C werden.
  • Transparenz: Alle Unterzeichnerstaaten ermitteln ihren Treibhausgasausstoß nach einheitlichen Meßkriterien und melden diesen regelmäßig an das UN-Klimasekretariat.
  • Regelmäßiger Kassensturz; Ab 2018 findet alle fünf Jahre ein „global stocktake“ statt. Dabei ermittelt ein ExpertInnengremium, ob die Klimaschutzbeiträge (NDCs) der einzelnen Staaten in ihrer Summe schon ausreichen, um das Limit bei der Klimaerwärmung einzuhalten. Derzeit tun sie das nicht. Selbst wenn alle Staaten ihre Selbstverpflichtungen einhielten – was oft nicht der Fall ist - würden wir Modellrechnungen zufolge bei 2,7°C Grad Erderwärmung landen.
  • Regelmäßige Ambitionssteigerung: Nach dem „global stocktake“ haben die einzelnen Staaten zwei Jahre Zeit, ihre Selbstverpflichtungen (NDCs) zu überarbeiten. Dann melden sie die aktualisierten NDCs an das Klimasekretariat. Dieses Procedere fand erstmals 2020 statt. Die EU hat aus diesem Anlass ein neues Emissionsziel von minus 55% bis 2030 (verglichen mit dem Stand von 1990) beschlossen. Und China hat angekündigt, den Höhepunkt seiner Emissionen vor dem Jahr 2030 zu erreichen und sie danach zu senken. Eine Auflistung der überarbeiteten Klimaziele von 2020 ist hier zu finden.
  • Klimafinanzierung: Die Industrieländer verpflichten sich, bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Klimaanpassung in Entwicklungsländern zu zahlen. Bis 2026 soll dann ein neuer Finanzierungsmechanismus mit noch größerem Geldvolumen ausgearbeitet werden.

2010 hat sich die Weltgemeinschaft erstmals auf eine konkrete Obergrenze für die globale Erwärmung geeinigt: Bis zum Jahr 2100 sollte sich die Erde um maximal 2 Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung (also der Zeit zwischen 1850 und 1900) erwärmen.

Vielen war diese Grenze noch nicht ambitioniert genug. Daher beschlossen die Vertragsstaaten beim Pariser Klimagipfel 2015, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad und wenn möglich auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Ein Grund für diese Verschärfung war, dass viele Inselstaaten bereits bei einer Erwärmung von mehr als 1,5 Grad aufgrund des steigenden Meeresspiegels keine Zukunft mehr haben werden. Die globale Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche liegt heute um etwa 1,2 Grad höher als 1850, womit rechnerisch noch 0,3 Grad verbleiben, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.
Beim Überschreiten des 1,5-Grad-Limits wird das Risiko sehr hoch, dass die in Abbildung 1 dargestellten Kippelemente oder -punkte (engl. tipping points) erreicht werden. Dies würde weitere, nicht lineare, unumkehrbare und in ihren Konsequenzen kaum einschätzbare Folgen nach sich ziehen.
Grafik der Kippelemente
Geografische Einordnung der wichtigsten Kippelemente im Erdsystem. Sie lassen sich in drei Klassen einteilen: Eiskörper, sich verändernde Strömungs- bzw. Zirkulationssysteme der Ozeane und der Atmosphäre sowie bedrohte Ökosysteme von überregionaler Bedeutung. Fragezeichen kennzeichnen Systeme, deren Status als Kippelement wissenschaftlich noch nicht gesichert ist.
Grafik: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) 2017/CC-BY-ND 3.0

Bei den Kippelementen handelt es sich um Bestandteile im Erdsystem, welche beim Überschreiten einer Temperaturschwelle im Hintergrundklima in einen qualitativ neuen Zustand übergehen können. Diesem Übergang liegen oft selbstverstärkende Prozesse zugrunde, die – einmal angestoßen – auch ohne weiteren externen Einfluss weiterlaufen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • das Schmelzen von Eis auf Gletschern und im Meer
  • das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien und Nordamerika
  • der Rückgang der nordischen Nadelwälder
Mehr zu den Kippelementen im Erdsystem findet man auf der Homepage des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Aus dem Gesagten folgt, dass es keine scharfe Grenze zwischen „tolerablem“ und „gefährlichem“ Klimawandel gibt. Beim 1,5-Grad-Limit handelt es sich demzufolge um eine politische Festlegung. Sie ist eher als Wegmarke zu sehen, jenseits derer die Ungewissheiten und Risiken deutlich zunehmen und die vom Klimawandel ausgehenden Folgen für viele Gesellschaften unkontrollierbar zu werden drohen. Wenn es gelänge, das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, wären zahlreiche Folgen der globalen Erwärmung bestenfalls gemildert, nicht aber abgewendet. Die Gletscherschmelze wäre ebenso wenig gestoppt wie der Anstieg des Meeresspiegels. Dieser würde selbst nach einem vollkommenen Emissionsstopp noch für Hunderte von Jahren weiterlaufen. Einige Klimaforscher weisen vor diesem Hintergrund darauf hin, dass 2 Grad eher die Grenze zwischen „gefährlichem“ und „sehr gefährlichem“ Klimawandel darstelle als zwischen „tolerablem“ und „gefährlichem“.

Auch wenn wir unsere Energieversorgung künftig komplett mit erneuerbaren Energien bestreiten, wird es weiterhin Industrieprozesse geben, bei denen CO2-Emissionen entstehen. Ein Beispiel ist die Zementherstellung - und komplett ohne Beton und Zement auszukommen, dürfte vor allem im Brücken- und Tiefbau schwierig werden.

Wenn die EU also ab 2050 (und Deutschland ab 2045) klimaneutral sein soll, müssen diese verbleibenden Emissionen irgendwie ausgeglichen werden. Hier kommen die sogenannten Negativemissionen ins Spiel. Das sind Technologien, die CO2 aus der Atmosphäre entnehmen und über mehrere Zehntausend Jahre speichern. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Aufforstung und Wiederaufforstung
  • Bioenergienutzung mit CO2-Abscheidung und unterirdischer Speicherung (BECCS)
  • Ozeandüngung
  • Biokohle
  • künstlich beschleunigte Gesteinsverwitterung (Enhanced Weathering)
  • die Direktabscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft durch chemische Prozesse (Direct Air Carbon Capture and Storage/DACCS)
Eine gute Übersicht über diese Methoden gibt ein Kurzdossier des Mercator Research Institute.

In ihrer Studie „Klimaneutrales Deutschland“ rechnen Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität damit, dass Deutschland seine Emissionen bis 2050 um 95% senken muss und die restlichen 5% durch Negativemissionen ausgleichen kann. Die FDP fordert in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2021 sogar, schon bis 2030 ein Ziel von 5% Negativemissionen anzustreben.

Technische Methoden, um Negativemissionen zu „erzeugen“, sind heute allerdings noch nicht wettbewerbsfähig. Ihre CO2-Vermeidungskosten liegen durchweg im drei- bis vierstelligen Bereich. Das heißt: Erst bei CO2-Preisen von über 100 Euro würden sie sich allmählich lohnen. Hinzu kommen andere Schwachpunkte: Einige Methoden – etwa die Ozeandüngung – sind mit erheblichen ökologischen Risiken verbunden. Andere – wie die Wiederaufforstung oder die Bioenergienutzung – geraten, wenn man sie erheblich ausweitet, in einen Zielkonflikt mit der Nahrungsmittelerzeugung.

Klimaforscher halten es daher für gefährlich, sich für die Zukunft in großem Ausmaß auf Negativemissionen zu verlassen. Ein Beitrag auf der Website „The Conversation“ zeigt auf, wie in den letzten Jahrzehnten immer extremere Maßnahmen für Negativemissionen ins Gespräch gebracht wurden, um trotz weiter steigender Emissionen das 1,5-Grad-Limit bei der Erderwärmung noch einhalten zu können. Nach Meinung der Autoren sollten Negativemissionen nur eine Art „Schleudersitz“ für den Klimaschutz sein, der im äußersten Notfall betätigt werden sollte. Aber gewiss kein Grund, in der Klima- und Energiepolitik ansonsten eine Politik des Weiter-so zu verfolgen.

CO2-Budgets


Bei der Klimakonferenz in Paris 2015 wurde beschlossen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C und nach Möglichkeit auf unter 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau (also der Zeit vor etwa 1850) zu begrenzen.

Damit das gelingt, darf die Menschheit im 21. Jahrhundert insgesamt nur noch eine bestimmte Menge an Treibhausgasen ausstoßen. Am wichtigsten ist also nicht die vieldiskutierte Frage, ob Europa im Jahr 2050 klimaneutral ist, sondern wie schnell unsere Emissionen auf dem Weg zur Klimaneutralität sinken.

Man kann unsere Atmosphäre mit einer Badewanne vergleichen: Wenn ich den Wasserhahn voll aufdrehe und dann offen lasse, ist sie schnell vollgelaufen. Drossele ich allerdings die Wasserzufuhr rasch, dauert es wesentlich länger.

Für den Klimaschutz sind zwar alle Treibhausgase relevant. Dazu zählen neben CO2 auch Methan (CH4), Lachgas (N2O), halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) und einige mehr. Weil jedoch die meisten davon deutlich kürzer in der Erdatmosphäre bleiben, konzentriert man sich bei der Angabe der Klimabudgets nur auf das langlebige CO2. Es ist in Deutschland für rund 88% des Treibhauseffekts verantwortlich.

Bei der Festlegung von CO2-Budgets gibt es viele Unwägbarkeiten. Sie haben mit den noch verbleibenden Unsicherheiten der Klimamodelle zu tun, aber auch mit der Frage, ob es uns gelingt, der Atmosphäre durch sogenannte Negativemissionen größere Mengen CO2 zu entziehen. Solche Technologien sind gewissermaßen der Stöpsel, der aus der Badewanne gezogen wird – nur dass die Atmosphäre dadurch niemals „leerlaufen“ wird. Denn ihr Potenzial ist eng begrenzt: Laut Agora Energiewende sind bis 2050 in Deutschland allenfalls 5% Negativemissionen realistisch.

Wichtiger sind die Unsicherheiten bei den Klimamodellen. Daher müssen für jedes CO2-Budget, das man angibt, zwei Fragen geklärt sein:

  • Welche Temperaturerhöhung gegenüber dem vorindustriellen Niveau will ich nicht überschreiten?
  • Mit welcher Sicherheit soll dieses Temperaturlimit eingehalten werden?
Gebräuchlich sind unter Klimawissenschaftlern CO2-Budgets für maximal 1,5°C, 1,75°C und 2°C Klimaerwärmung sowie Wahrscheinlichkeiten von 33%, 50% und 67%. Wohlgemerkt: 100% Sicherheit, dass eine bestimmte Temperaturerhöhung nicht überschritten wird, kann es aufgrund der Komplexität des globalen Klimasystems nicht geben!

Die Tabelle unten zeigt eine Auswahl an CO2-Budgets aus dem Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) von 2018.
Tabelle CO2-Budget

Das globale CO2-Budget, das uns zum Einhalten eines bestimmten Temperaturlimit noch verbleibt lässt sich mit Klimamodellen näherungsweise berechnen. Dabei ist immer auch die Frage relevant, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Limit eingehalten werden soll – denn 100% Sicherheit gibt es beim Klima nicht.

Hier nochmals die globalen CO2-Budgets gemäß der aktuellen Berechnungen des Weltklimarats:
Tabelle CO2-Budget
Die Verteilung dieses Budgets auf einzelne Regionen, Länder und Menschen ist dagegen keine naturwissenschaftliche, sondern eine politische Frage. Weitgehend unbestritten ist, dass jeder Mensch das gleiche Recht haben sollte, Treibhausgase auszustoßen. Das Emissionsbudget für einzelne Länder muss daher proportional zu ihrer Bevölkerungsgröße sein.

Nur: Ab wann soll dieses Prinzip gelten? Ab heute, ab 2025 oder womöglich schon ab dem Beginn der Industrialisierung? Rechnet man auch vergangene Emissionen ein, wird es für die Industriestaaten eng: Sie müssten praktisch von jetzt auf gleich jeglichen CO2-Ausstoß einstellen.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung hat daher in seinem Umweltgutachten von 2020 vorgeschlagen, pro Kopf gleiche Klimabudgets für alle Menschen ab Ende 2015 anzusetzen. Also ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens als völkerrechtlich verbindlicher Verpflichtung, 2°C Erderwärmung keineswegs zu überschreiten.

Das Versprechen von Paris, „deutlich unter 2°C“ zu bleiben, setzt der SRU mit einem Temperaturlimit von 1,75°C gleich, das mit 67%-iger Wahrscheinlichkeit eingehalten werden muss. Daraus ergeben sich für die Welt, die EU und Deutschland folgende CO2-Budgets:
Tabelle CO2-Budget
Im Klartext heißt das: Wenn wir in Deutschland weiterhin so viel CO2 ausstoßen wie heute, wäre das Budget noch in diesem Jahrzehnt erschöpft. Dann müsste von einem Tag auf den anderen „Schluss sein.“ Realistischer wäre es dagegen, die Emissionen kontinuierlich auf Null zu senken. Aber selbst dann müsste Deutschland im Jahr 2038 komplett CO2-neutral sein.

Die Rechnung des SRU ist außerdem unvollständig, da sie die Anteile der EU und Deutschlands am internationalen Luft- und Schiffsverkehr nicht einbezieht. Würde man diese berücksichtigen, wären die Budgets noch früher aufgebraucht.

Für alle, die es genauer wissen wollen, hat unser Aktiver Andreas Wolfsteiner ein Online-Rechentool für nationale CO2-Budgets entwickelt. Es ist hier im Internet zu finden.

Sehr anschaulich ist auch die Seite showyourbudgets.org. Dort kann man sehen, wann die bestehenden CO2-Budgets für bestimmte Temperaturlimits, Eintrittswahrscheinlichkeiten und Länder aufgebraucht sind.

Schauen wir uns nochmals die verbleibenden CO2-Budgets an, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) berechnet hat. Zur Erinnerung: Unterstellt wurde dabei, dass sich die Welt maximal um 1,75°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau erhitzen sollte und dass dieses Limit mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% eingehalten werden muss.

Für die EU folgt aus dem Budget, dass die Emissionen ab sofort um 3,9% jährlich sinken müssten. Für Deutschland sind es sogar 5,2%. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2018 waren es in der EU weniger als 1% pro Jahr und in Deutschland etwas über 1%. Die angestrebte Verringerung wäre also ein echter Quantensprung!
Tabelle CO2-Budget
Wenn man nun die lineare Absenkung der Emissionen bis ins Jahr 2030 fortschreibt, kann man ermitteln, welche Emissionsziele sich die EU und Deutschland eigentlich setzen müssten, um „Paris-kompatibel“ zu sein:
Tabelle CO2-Budget
Zum Vergleich: Bisher hat sich die EU für 2030 ein Reduktionsziel von 55% gegenüber 1990 gesetzt. Da dabei jedoch Negativemissionen durch die Forstwirtschaft angerechnet werden, entspricht das Ziel real nur 52,8% Emissionssenkung.

Deutschland hat sich im Rahmen des Klimaschutzgesetzes verpflichtet, seine Emissionen im gleichen Zeitraum um 65% zu senken. Beide werden also nochmals nachlegen müssen, um ihre Ziele „Paris-kompatibel“ auszugestalten.

Das gilt erst recht, wenn man nicht nur ein Temperaturlimit von 1,75°C, sondern ein Limit von 1,5°C anstrebt:
Tabelle CO2-Budget EU
Grafik: eigene Darstellung nach Wuppertal Institut/Fridays for Future 2020

Tabelle CO2-Budget Deutschland
Grafik: eigene Darstellung nach Wuppertal Institut/Fridays for Future 2020

Die derzeitigen Klimaziele der Bundesregierung sind von der notwendigen Emissionsreduktion noch ein gutes Stück entfernt:
Tabelle CO2-Budget
Grafik: eigene Darstellung nach Wuppertal Institut/Fridays for Future 2020


Deutschland hat auch nur einen Anteil von 3,5% am weltweiten Bruttoinlandsprodukt und von 2,5% an den weltweiten Rüstungsausgaben. Bedeutet das, dass wir keine Wirtschafts- und Abrüstungspolitik mehr betreiben sollten? Natürlich nicht.

2% Anteil an den weltweiten Emissionen mögen sich wenig anhören – aber nur fünf Länder auf der Welt haben überhaupt einen größeren Treibhausgasausstoß als wir Deutschen. Außerdem ist Deutschland die wichtigste Volkswirtschaft der EU, die zusammengenommen fast 10% der globalen Treibhausgasmissionen verursacht. Um eine aktive Klimapolitik kommen wir daher gar nicht herum.
Jährliche CO2-Emissionen
Grafik: Hannah Ritchie/OurWorldInData.org/CC-BY

Noch deutlicher wird das Bild, wenn man nicht die heutigen, sondern die historischen CO2-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung betrachtet. Daran beträgt Deutschlands Anteil satte 5,8%. Damit stehen wir hinter den USA, China und Russland auf Platz 4 der ewigen Weltrangliste:
Weltrangliste CO2-Emissionen
Grafik: eigene Darstellung nach OurWorldInData.org

Außerdem: Nur, weil China und die USA zusammen 42% der weltweiten Emissionen verursachen, macht sie dies noch lange nicht zu Alleinverantwortlichen für den Klimaschutz. Unter dem Gesichtspunkt der globalen Gerechtigkeit sind nämlich die Pro-Kopf-Emissionen ein wesentlich wichtigerer Indikator als die Summe der Emissionen, die ein Land verursacht. Hier liegen wir ebenfalls deutlich über dem Weltdurchschnitt und noch ein gutes Stück vor den Chinesen:
Pro-Kopf-Emissionen
Grafik: OurWorldInData.org/CC-BY

Die Grafik zeigt auch: Andere Länder wie Großbritannien und die USA haben ihre Emissionen in den letzten Jahren prozentual deutlich stärker gesenkt als Deutschland. Das Etikett des „Vorreiters“ im Klimaschutz, das manche PolitikerInnen unserem Land gern anheften, hat Deutschland wahrlich nicht verdient. Auf der „Klimarangliste“ der OECD-Mitgliedsstaaten liegen wir, was die Treibhausgasreduktionen angeht, nur auf dem mageren 22. Rang:
Treibhausgasemissionen
Grafik: eigene Darstellung nach Rahmstorf 2020

CO2-Preise


Wir alle treffen täglich Konsumentscheidungen. Die Bio-Äpfel oder die konventionell erzeugten? Die regional erzeugte Milch oder die günstigere vom anderen Ende der Republik? Die Mehrzahl der Menschen im Land entscheidet dabei nicht nach ökologischen Kriterien, sondern schlicht nach dem Preis. Zumal es ihnen bei vielen Produkten – denken wir an Kleidung – völlig unklar ist, welche CO2-Emissionen die Herstellung einer Ware verursacht hat.

Ein CO2-Preis ändert das. Er sorgt dafür, dass sich der CO2-Fußabdruck auf jedem Preisschild niederschlägt. Er verteuert all das in unserem Leben, was mit hohem CO2-Ausstoß verbunden ist. Also den Kohlestrom, das Autofahren oder die Importnahrungsmittel aus Übersee. Diese Preiserhöhung „lenkt“ Konsumentscheidungen und Investitionsgelder in die richtige Richtung. Man spricht daher auch von der Lenkungswirkung eines CO2-Preises.

Trotzdem bedeutet eine Preiserhöhung eine zusätzliche Kostenbelastung für viele BürgerInnen und Unternehmen, da sie nicht sofort auf nicht-fossile Alternativen umsteigen können oder diese schlicht und einfach teurer sind. Umso wichtiger ist daher eine finanzielle Kompensation für den CO2-Preis, wie sie die Bürgerlobby Klimaschutz mit der Klimadividende vorschlägt.

Tendenziell dort, wo nach rein ökonomischen Gesichtspunkten entschieden wird; etwa bei Kraftwerksbetreibern und in der Industrie. Im Privatleben ist der Mensch dagegen kein reiner „homo oeconomicus“. Hier entscheiden auch Aspekte wie Bequemlichkeit oder die pure Gewohnheit darüber, was gekauft wird. Daher braucht es hier meist höherer Preisanreize (oder andere Maßnahmen wie Subventionen, Informationskampagnen und ordnungsrechtliche Vorgaben, um Menschen zu Verhaltensänderungen zu bewegen.

Aber auch innerhalb der Wirtschaft gibt es Unterschiede, die vor allem mit den unterschiedlichen CO2-Vermeidungskosten zu tun haben. So kostet es in der Stromerzeugung deutlich weniger Geld, eine Tonne CO2 einzusparen, als im Verkehr. Das mag nicht für jeden Einzelfall gelten – im Gesamtdurchschnitt unserer Volkswirtschaft ist es aber so. Der Stromsektor ist daher auch der erste Wirtschaftsbereich, der sich unter dem Einfluss steigender CO2-Preise radikal wandelt. Die Grafik unten zeigt das deutlich: Im Energiesektor sind die Emissionen in Deutschland in den letzten 2 Jahren drastisch zurückgegangen.
Deutsche Emissionen im Energiesektor
Grafik: Clean Energy Wire/CC BY SA 4.0

Der Grund dafür: In den Jahren vor dem Ukraine-Krieg stieg der CO2-Preis im europäischen Emissionshandel bis auf rund 90 €/Tonne. Kohlekraftwerke wurden dadurch zunehmend unwirtschaftlich, das etwas klimaschonendere Erdgas erlebte eine Renaissance. Seither hat sich diese Dynamik durch die stark gestiegenen Erdgaspreise allerdings umgekehrt.

Kurzfristig lässt sich kaum vermeiden, dass die Kohle in Zeiten knappen Erdgases an Marktanteilen gewinnt. Mittelfristig jedoch muss die Politik durch Verknappung der CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandel und durch den beherzten Ausbau der erneuerbaren Energien verhindern, dass es zu einer dauerhaften Kohle-Renaissance bei der Stromerzeugung kommt.

Ein Artikel zu den Kosten der fossilen und erneuerbaren Stromerzeugung ist hier zu finden. Mehr zu den Umweltkosten fossiler Energien steht hier.

Bis hierhin war vor allem von der Stromerzeugung die Rede. Doch auch in den anderen Sektoren zeigt ein CO2-Preis Wirkung – zum Beispiel bei der Gebäudeheizung. Dort kosten der Ausbau bestehender Fernwärmenetze und der Einbau von Wärmepumpen statt Gasheizungen in Neubauten deutlich unter 100 Euro pro eingesparter Tonne CO2-Emissionen. Steigt der CO2-Preis also in diese Höhe, werden die Maßnahmen wirtschaftlich.

Das belegen auch Erfahrungen aus der Schweiz: In unserem Nachbarland hat die CO2-Steuer von derzeit 96 Franken/Tonne dazu geführt, dass in Neubauten kaum noch fossile Heizungen installiert werden. Ihr Marktanteil liegt dort unter 10%. In Deutschland waren es 2019 noch knapp 40%.

Ein CO2-Preis lässt sich in Form einer Steuer erheben oder durch einen Emissionshandel. Beide Optionen verfolgen das gleiche Ziel, die CO2-Einsparung. Ihre Funktionsweise unterscheidet sich jedoch deutlich.

Bei der CO2-Steuer legt der Staat die Höhe des Preises fest. Wieviel CO2 dann im Land ausgestoßen wird, lässt sich nicht genau vorhersagen. Es hängt unter anderem von der technischen Entwicklung, vom Konsumentenverhalten und von der Konjunkturentwicklung ab. Will man also mit einer CO2-Steuer ein bestimmtes Emissionsziel erreiche, muss die Steuerhöhe regelmäßig nachjustiert werden. Das praktiziert zum Beispiel die Schweiz seit Jahren mit ihrer CO2-Steuer im Wärmesektor.

Beim Emissionshandel ist es genau anders herum. Hier gibt der Staat - oder im europäischen Emissionshandel die EU - die Menge der Emissionen vor, die in einem bestimmten Zeitraum ausgestoßen werden dürfen. Nach dieser Vorgabe richtet sich die Menge der Emissionszertifikate, die an Unternehmen und Kraftwerksbetreiber ausgegeben (sprich: versteigert oder verschenkt) werden. Jedes Zertifikat entspricht dem Recht, eine Tonne CO2 auszustoßen. Der Preis für die Zertifikate bildet sich dann „im Markt“ – zum einen bei der Versteigerung und zum anderen dadurch, dass die Unternehmen die Zertifikate untereinander handeln können.

Zu den jeweiligen Vor –und Nachteilen dieser Optionen haben wir einen eigenen Beitrag in diesen FAQs veröffentlicht.

Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Entscheidender als die Alternative „CO2-Steuer oder Emissionshandel“ ist die konkrete Ausgestaltung des Systems und die übergeordnete Klimapolitik, in die es eingebettet ist. Die EU hat sich zum Beispiel früh auf einen Emissionshandel als ihre Methode der CO2-Bepreisung festgelegt. Auch die Bundesregierung hat mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 im Herbst die Weichen in diese Richtung gestellt. Selbst wenn man das wollte, wäre es in beiden Fällen aufwändig, jetzt komplett zu einer CO2-Steuer umzuschwenken. Für den Emissionshandel hatte die EU übrigens gute Gründe. Denn bei einem Emissionshandel wird die Menge der „erlaubten“ CO2-Emissionen politisch festgelegt. Danach richtet sich die Zahl der Emissionszertifikate, die verteilt oder versteigert werden. Weil die Menge der Emissionen von vornherein feststeht, lässt sich ein Emissionshandel leichter auf langfristige Emissionsziele oder auf ein CO2-Budget abstimmen.

Ein Nachteil eines Emissionshandels liegt darin, dass die Höhe des Zertifikatepreises (und damit des CO2-Preises) abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung stark schwanken kann. Damit haben Unternehmen, die an dem Handel teilnehmen, weniger Kalkulationssicherheit. Dem lässt sich entgegenwirken, in dem man z.B. einen Mindestpreis im Emissionshandel einführt oder sogenannnte „Carbon Contracts for Difference“ nutzt. Das sind Verträge, in dem der Staat Unternehmen für die Zukunft bestimmte CO2-Preise garantiert (die sinnvollerweise höher sind als heute, aber durch die Garantie kalkulierbar werden). Liegt der reale Preis höher als im Vertrag festgelegt, zahlt der Staat die Differenz. Liegt er niedriger, muss das Unternehmen den Differenzbetrag an den Staat zahlen.

Bei der CO2-Steuer wird dagegen die Höhe des CO2-Preises politisch festgesetzt. Dafür hat man keine direkte Kontrolle über die Menge an CO2-Emissionen, die entstehen. Um also ein bestimmtes Emissionsziel zu erreichen oder ein CO2-Budget einzuhalten, muss die Höhe der CO2-Steuer regelmäßig nachjustiert werden. Dazu ist nicht jedes Mal ein politischer Beschluss notwendig; die Erhöhung kann auch automatisch erfolgen, wenn mehr CO2 ausgestoßen wird als ursprünglich erhofft. Diesen Weg verfolgt zum Beispiel die Schweiz, wo die CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe mittlerweile auf 96 Franken je Tonne gestiegen ist.

Kurzfristig haben Unternehmen bei einer CO2-Steuer sicher mehr Kalkulationssicherheit als beim Emissionshandel. Langfristig relativiert sich dieser Vorteil jedoch durch die Unsicherheit, ob und wie weit die Steuer steigen wird.

Eine häufige Kritik am Emissionshandel lautet, dass dieser Missbrauch fördert. Tatsächlich gab es in der Frühzeit des EU-Emissionshandels groß angelegte Betrugsfälle und Schlupflöcher, die nach und nach geschlossen wurden. Diesen Nachteil hat der Emissionshandel jedoch nicht exklusiv für sich: Dass auch Steuern für Betrügereien anfällig sind, belegt die schier endlose Liste der Steuerskandale aus den letzten Jahren – von Cum-Ex bis zu den „Panama Papers“.

Ein CO2-Preis sorgt dafür, dass CO2-Emissionen dort eingespart werden, wo es am wenigsten kostet. Das gilt aber nur, solange der CO2-Preis überall – also in der Industrie, im Verkehr, in der Stromerzeugung und bei der Gebäudeheizung – gleich hoch ist.

Außerdem können bei unterschiedlich hohen CO2-Preisen Anreize in die falsche Richtung entstehen. Zum Beispiel ist es für das Klima sinnvoll, Häuser mit strombetriebenen Wärmepumpen zu beheizen statt mit Erdgas. Das gilt umso mehr, je mehr sich die Stromversorgung in Deutschland dekarbonisiert, also fossile Kraftwerke vom Netz gehen.

Wenn nun aber der CO2-Preis im Stromsektor sehr hoch und im Wärmesektor sehr niedrig ist, hat eine (mit dem Durchschnitts-Strommix betriebene) Wärmepumpe einen Nachteil gegenüber der Gasheizung. Hauskäufer könnten daher eher geneigt sein, sich eine Gasheizung in den Keller zu stellen als die Wärmepumpe.

Generell gilt: Je höher der CO2-Preis, desto weniger zusätzliche Vorschriften, Förderprogramme und Subventionen braucht es, um eine bestimmte Menge an CO2-Emissionen einzusparen. Umgekehrt heißt das aber auch: Je weniger dieser zusätzlichen Maßnahmen es gibt, desto höher muss der CO2-Preis sein, um eine bestimmte Klimawirkung zu erzielen.

Langfristig macht es Sinn, auf den CO2-Preis als zentrales Instrument der Klimapolitik zu setzen. Denn er sorgt dafür, dass Emissionen dort eingespart werden, wo das am kostengünstigsten möglich ist. Damit wir die Klimaziele von Paris einhalten, wird er aber noch deutlich steigen müssen. Vorerst ist es daher sinnvoll, wenn EU und Bundesregierung auch andere, etablierte Maßnahmen weiterverfolgen. Dazu gehören z.B. die EU-Flottengrenzwerte bei Autos, die EU-Effizienzrichtlinie oder die Förderprogramme für Gebäudesanierung in Deutschland.

Förderprogramme, Subventionen und Vorschriften machen vor allem dort Sinn, wo
  • die CO2-Vermeidungskosten besonders hoch sind, z.B. im Verkehr,
  • Technologien noch nicht ausgereift (und damit kostengünstig) genug sind, um sich aus eigener Kraft am Markt behaupten zu können,
  • Technologien zwar langfristig viel CO2 einsparen, aber in der Anschaffung sehr teuer sind,
  • Menschen bei Investitionen und Konsum nicht nach rein ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden.
Letzteres ist in den allermeisten Bereichen des Privatlebens der Fall: Wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Gebäudesanierungen werden nicht durchgeführt, weil man Dreck und Baustellenlärm scheut. Beim Autokauf spielt nicht nur der Spritverbrauch eine Rolle, sondern auch das Statusversprechen des Autos. Und Bequemlichkeit ist einer der größten Treiber für ökonomisch unsinnige Kaufentscheidungen überhaupt. Deswegen braucht es gerade für private Verbraucher auch weiterhin Förderprogramme, Informationskampagnen und in manchen Fällen auch Vorschriften, um klimaschonende Investitionen und klimafreundlichen Konsum voranzubringen.

Sozialer Ausgleich und Klimadividende


Ein CO2-Preis ist nicht in erster Linie dazu da, dem Staat zusätzliche Einnahmen zu bescheren oder gar Haushaltslöcher zu stopfen. Und selbst wenn sich mit diesem Geld Förderprogramme für erneuerbare Energien, Gebäudedämmung und effiziente Haushaltsgeräte finanzieren ließen, raten wir eher davon ab. Solche Programme sollte der Staat aus anderen Quellen finanzieren.

Warum? Weil Deutschland und Europa im Klimaschutz nicht das tun, was sie laut dem Pariser Klimavertrag tun müssten, wird der CO2-Preis in den nächsten Jahren stark steigen müssen. Das führt jedoch zu steigenden Kosten für BürgerInnen und Unternehmen. Für manche von ihnen könnten diese untragbar werden. Daher schlagen wir vor, den Menschen das Geld, das der Staat durch den CO2-Preis einnimmt, in pro Kopf gleicher Höhe zurückzuerstatten – als Klimadividende. Diese Lösung wäre einfach, transparent und gerecht - und die gefühlte Gerechtigkeit ist Umfragen zufolge maßgeblich dafür, ob die BürgerInnen einen CO2-Preis akzeptieren. Zu Sinn und Funktion der Klimadividende haben wir in diesen FAQs einen eigenen Beitrag veröffentlicht.

Der Klimadividende liegt die Überlegung zugrunde, dass der Staat die Einnahmen aus einem CO2-Preis den Bürgern zurückgeben sollte. Nur so lässt sich auch bei sehr hohen CO2-Preisen, wie wir sie früher oder später für den Klimaschutz brauchen werden, die Akzeptanz der BürgerInnen sichern.

Eine denkbar einfache Lösung wäre, jedem Bürger und jeder Bürgerin am Jahresende den gleichen Betrag zurückzuerstatten. Wer wenig CO2 ausgestoßen hat, erhält dann mehr zurück, als er im Jahresverlauf an der Tankstelle, auf der Stromrechnung und im Supermarkt für den in den Energie- und Warenpreisen enthaltenen CO2-Preis entrichtet hat. Wer viel ausstößt, zahlt unter dem Strich drauf. Im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung hätten die BürgerInnen genau so viel Geld in der Tasche wie ohne CO2-Preis und Klimadividende. Aber für den Klimaschutz ergäbe sich ein positiver Effekt. Denn, wie schon erwähnt: Der CO2-Preis verteuert all das in unserem Leben, was mit hohem CO2-Ausstoß verbunden ist, und macht es dadurch unattraktiv. Klimaschonende Produkte und Dienstleistungen werden dagegen nicht oder kaum teurer. Das ist auch dann noch so, wenn man den CO2-Preis mit einer Klimadividende verbindet.

Die Kombination „CO2-Preis plus Klimadividende“ wäre auch sozial gerecht, weil Geringverdiener in der Regel einen geringeren CO2-Ausstoß haben als der Bevölkerungsdurchschnitt. Das zeigt unter anderem das folgende Schaubild. Darin bedeuten positive Werte eine Entlastung, negative dagegen eine zusätzliche Belastung der jeweiligen Haushalte. Für die Berechnung wurde ein CO2-Preis von 30 Euro/Tonne angenommen.
Verteilungseffekt CO2-Preis
Verteilungseffekt eines CO2-Preises von 30€/t für Wärme und Verkehr in Verbindung mit einer Klimadividende
Grafik: eigene Darstellung nach FÖS 2018

Auch andere ExpertInnengremien heben die sozialen Vorzüge einer Klimadividende hervor, u.a.:
• Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
• und das Umweltbundesamt (UBA).
Laut der Studie des UBA stellt die Klimadividende „gewissermaßen eine Basisabsicherung gegen soziale Härten dar. Haushalte mit hohen Einkommen werden dagegen in der Regel netto belastet.“

Darüber, wie der Staat den BürgerInnen die Einnahmen aus dem CO2-Preis zurückgeben sollte, wurde in den letzten Jahren viel diskutiert. Ein unkomplizierter und kosteneffizienter Weg wäre die Auszahlung über die Familienkassen.

Ein Team von ForscherInnen des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change hat diese in einer Studie näher untersucht und schreibt dazu: “Eine direkte Pro-Kopf-Rückerstattung als Überweisung durch die Familienkassen birgt dabei aufgrund der geringeren erwarteten Kosten und der größeren Sichtbarkeit einige Vorteile gegenüber einer Krankenversicherungsumlage oder Verrechnung mit der Lohnsteuer durch die Arbeitgeber:innen.

Zudem ist eine monatliche Ausschüttung aus verhaltens-ökonomischer Sicht einer jährlichen Zahlung vorzuziehen, da sie die Mehrbelastung durch die CO2-Bepreisung und die Entlastung zeitlich zusammenbringt und von den Empänger:innen eher als regelmäßiger Ausgleich für gestiegene Kosten wahrgenommen wird.“

Wie genau die Rückerstattung vonstatten geht, hat unser Aktiver Boris Konopka auf seinem Klimablog erläutert: Zunächst wird aufbauend auf der Steuer-ID ein zentrales Register aller Empfangsberechtigten geschaffen. Dieses ist bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) angesiedelt. Die Auszahlung läuft dann über die Familienkassen der BA, die auch über die erforderliche IT-Infrastruktur verfügt. Die Zahlungen können als separate Überweisungen erfolgen, was die Sichtbarkeit der Klimadividende erhöht.

Um eine lückenlose Erfassung aller BürgerInnen sicherzustellen, müssten die Deutsche Rentenversicherung und das Bundesamt für Steuern ihre Datenbestände an die BA melden. Weitere rund 8 Millionen BürgerInnen müssten einen Antrag auf Auszahlung stellen, da sie bisher bei keiner der drei Stellen namentlich erfasst sind.
Grafik: Boris Konopka 2021/2022


Die Schweiz erhebt seit 2008 eine nationale Abgabe auf fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Sie beträgt derzeit 96 Schweizer Franken pro Tonne CO2. Von den Einnahmen aus der Abgabe werden zwei Drittel an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückerteilt. Das restliche Drittel fließt in ein Programm zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung und in einen Technologiefonds.

Die Erträge aus der Abgabe werden im gleichen Jahr verteilt, in dem sie anfallen. Dabei gilt das Prinzip getrennter Geldflüsse: Einnahmen aus der CO2-Abgabe, die aus Privathaushalten stammen, fließen auch wieder an Privathaushalte zurück. Für die Rückerstattung an die Unternehmen werden dagegen die Einnahmen verwendet, die der Staat durch die CO2-Abgabe der Wirtschaftsunternehmen hat.

Bei den Privathaushalten bekommen alle Personen, die in der Schweiz wohnen, unabhängig vom CO2-Ausstoß oder Einkommen den gleichen Betrag zurückerstattet. Um das Ganze handhabbar zu machen, wird die Rückerstattung mit den Krankenkassenbeiträgen der EinwohnerInnen verrechnet. Vorteil dieses Systems: Alle Menschen im Land sind krankenversichert und die Krankenkassen besitzen daher das aktuellste Adressenverzeichnis aller Personen in der Schweiz. Auf diese Weise wird der Verwaltungsaufwand minimiert. Nachteil: Die Rückerstattung ist nur wenig sichtbar. Bei einer Umfrage gab weniger als ein Viertel der SchweizerInnen an, dass sie von der Rückerstattung überhaupt Notiz genommen hätten.

Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe, die aus der Wirtschaft stammen, werden an alle Arbeitgeber, proportional zur abgerechneten Lohnsumme ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurückverteilt. Das soll unter dem Strich diejenigen Unternehmen begünstigen, die viele Menschen beschäftigen und daher eine hohe Lohnsumme haben.

Ein großer Teil der Einnahmen aus dem CO2-Preis fließt momentan in die Senkung der EEG-Umlage. Damit will die Bundesregierung vor allem zweierlei erreichen: die BürgerInnen finanziell entlasten und die Sektorenkopplung voranbringen.

Doch die Senkung der EEG-Umlage ist nicht optimal – weder für die soziale Gerechtigkeit noch für den Klimaschutz, wie zuletzt mehrere Studien belegt haben.

Das Mercator Research Institute (MCC) etwa vergleicht in einem Arbeitspapier einige der meistdiskutierten Optionen zur Entlastung der BürgerInnen auf ihre Verteilungsgerechtigkeit – darunter auch die Senkung der EEG-Umlage und die Klimadividende. Zugrunde gelegt wurde in der Studie ein CO2-Preis von 50 Euro je Tonne.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Klimadividende gerade für GeringverdienerInnen optimal ist. Als einzige Lösung bringt sie den ärmeren 40% der Bevölkerung unter dem Strich eine Entlastung gegenüber dem Status quo vor der Einführung des CO2-Preises. Und das, obwohl in der Modellrechnung des MCC nur die Einnahmen rückverteilt wurden, die der Staat aus den direkten CO2-Kosten der Haushalte erhält. Das Geld aus dem CO2-Preis, den Industrie und Gewerbe zahlen, bleibt in der Betrachtung außen vor.

Die Grafik unten zeigt dies deutlich: Bei der Senkung der EEG-Umlage erhalten Privathaushalte weniger Geld zurück, als die über den CO2-Preis bezahlt haben (grüne Balken). Industrie und Gewerbe (blau) profitieren dagegen. Außerdem kostet die Senkung der EEG-Umlage (Mitte) den Staat deutlich mehr als die Klimadividende (rechts).
Einnahmen und Ausgaben bei CO2-Preis von 50€
Einnahmen und Ausgaben bei einem nationalen CO2-Preis von 50€/Tonne.
Grafik: Bürgerlobby Klimaschutz; Datenquelle: Mercator Research Institute

Auch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft nimmt die Senkung der EEG-Umlage in einer Studie kritisch unter die Lupe. Ihr zufolge ist die Kritik an überhöhten Strompreisen in Deutschland unberechtigt: Die Belastung privater Haushalte durch Stromkosten liegt im europäischen Durchschnitt, wenn man gleichzeitig die Kaufkraftunterschiede betrachtet. Und die Energiestückkosten der Industrie liegen sogar unter dem EU-Durchschnitt. Wer die Sektorenkopplung in Deutschland voranbringen will, sollte dies laut FÖS lieber über gezielte Fördermaßnahmen etwa für Elektroautos, Ladesäulen und Wärmepumpen tun. Denn die Senkung der EEG-Umlage verschlingt viel Geld. Insgesamt sind es 2021 rund 10,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In die energetische Gebäudesanierung fördert die bundeseigene KfW-Bank im gleichen Zeitraum nur mit 5,8 Mrd. € und die Zuschüsse für die Ladeinfrastruktur betragen 2021 nur 0,8 Mrd. €. Überdies könnte die Senkung der EEG-Umlage den Bemühungen um Energieeffizienz zuwiderlaufen, weil sie den Strompreis senkt.

Insgesamt schlussfolgern die FÖS-WissenschaftlerInnen in ihrer Studie: „Die Senkung der EEG-Umlage ist eine sehr kostspielige Politikmaßnahme, deren soziale und ökologische Auswirkungen nach dem Gießkannenprinzip wirken. Mit den gleichen Finanzmitteln könnten andere Maßnahmen stärker auf die Ziele Klimaschutz und Minderung von sozialer Ungleichheit einzahlen.“

CO2-Preis-Rechner

Hier geht es zum ausführlichen Rechner und folgend eine "Light-Version":

Wie wirkt sich ein CO2-Preis von 25 € in Verbindung mit einer Klimadividende auf beispielhafte Haushalte aus?
Wähle ein Beispielprofil aus:
Einzelperson
DURCHSCHNITTS­BÜRGER
Großfamilie
FAMILIE
Geringverdiener 1
GERING­VERDIENER
Geringverdiener 2
BEST­VERDIENER
ERGEBNISSE*

DIVIDENDE

250

Dies ist der Betrag, der als Klimadividende ausgezahlt wird.

CO2-KOSTEN

250

Dies sind die Kosten, die durch den CO2-Fußabdruck dieses Beispielprofils bei einem CO2-Preis von 25 € maximal entstehen.

BILANZ

0

Das ist die Bilanz aus Kosten und Dividende.
*Für obige Berechnungen haben wir folgende beispielhaften Werte verwendet, die das Prinzip CO2-Preis mit Klimadividende in vereinfachter Form darstellen
Exemplarische Daten
CO2-Preis: 25 € je Tonne CO2
Pro-Kopf-Emissionen
Durchschnittsbürger Deutschland 10 t CO2
Familie mit 4 Personen 7 t CO2
Geringverdiener 5 t CO2
Bestverdiener 30 t CO2
Formeln
Klimadividende pro Kopf = CO2-Preis * CO2-Emissionen Deutschland / Anzahl Bürger = CO2-Preis * Pro-Kopf-Emissionen Deutschland = 25 € * 10 t = 250 €
Klimadividende Haushalt = Klimadividende pro Kopf * Anzahl Personen im Haushalt
CO2-Kosten Haushalt = CO2-Preis * Pro-Kopf-Emissionen Haushalt * Anzahl Personen im Haushalt
Bilanz = Klimadividende Haushalt ./. CO2-Kosten Haushalt
Dies sind nur pauschalisierte Zahlen. Wir haben viele Informationen dazu und einen ausführlichen CO2-Preis-Rechner erstellt, bei dem man auch viele Einstellungen vornehmen kann, um individualisierte Berechnungen anzustellen.
Hier geht es zum ausführlichen Rechner.

Der deutsche CO2-Preis und das Brennstoff­emissionshandels­gesetz


Mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundesregierung den Einstieg in einen nationalen Emissionshandel für die Sektoren Gebäude und Verkehr beschlossen. Es ist allerdings ein Einstieg mit Umwegen: Die Emissionszertifikate werden in den ersten fünf Jahren – von 2021 bis 2025 – zum Festpreis ausgegeben. Ihre Gesamtmenge ist in diesem Zeitraum nicht begrenzt. Auch 2026 soll noch ein sogenannter „Preiskorridor“ gelten, d.h. bei der Versteigerung der Zertifikate durch den Staat ist der Preis nach oben und unten hin begrenzt.

Da der Bundesrat Teilen des Klimapakets laut Verfassung zustimmen musste, wurden die Zertifikatpreise für die ersten Jahre im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat im Dezember 2019 nochmals angehoben. Die Tabelle unten zeigt die Preise vor und nach der Nachverhandlung im Vermittlungsausschuss.
Preistabelle Zertifikate
Am nationalen Emissionshandel nehmen nicht die EndverbraucherInnen teil und auch nicht einzelne Gewerbe- und Handwerksbetriebe, sondern Händler und Importeure fossiler Brennstoffe sowie Raffinerien. Insgesamt sind rund 4000 Unternehmen deutschlandweit zur Teilnahme an dem Handel verpflichtet. Diese Unternehmen wollen auf den Mehrkosten durch den CO2-Preis natürlich nicht „sitzen bleiben“ und schlagen diese daher auf den Preis ihrer Produkte auf. Auf diesem Weg bezahlen am Ende die VerbraucherInnen den CO2-Preis, weil Heizöl, Erdgas und Benzin teurer werden.

Das Geld, das der Staat durch den Verkauf der Zertifikate einnimmt, fließt in den Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung (KTF). Daraus finanziert der Staat unter anderem die Senkung der EEG-Umlage sowie die Förderprogramme für die Gebäudesanierung und den Ausbau der Elektromobilität, aber auch Dekarbonisierungsmaßnahmen in der Industrie.

Die Bürgerlobby Klimaschutz setzt sich stattdessen für eine Rückverteilung als Klimadividende ein. Wir glauben, dass dies insbesondere bei den künftig notwendigen, stark steigenden CO2-Preisen die beste Verwendung der Mittel ist.


Ursprünglich war geplant, den CO2-Preis zwischen 2021 und 2025 schrittweise von anfangs 25 €/Tonne auf 55 €/Tonne zu steigern. Ab 2026 sollten die CO2-Zertifikate dann versteigert werden. Im ersten Jahr sollte dabei jedoch ein „Preiskorridor“ von 55-65 €/t gelten, der den Preis nach oben und unten hin begrenzt.

Im Rahmen des dritten Entlastungspakets vom September 2022 hat die Bundesregierung beschlossen, die für 2023 geplante Anhebung des CO2-Preises entfallen zu lassen. Alle folgenden Preissteigerungen sollen nun ein Jahr später stattfinden. Damit konterkariert die Regierung nicht zum ersten Mal ihre Ziele beim Klimaschutz. Der neue Zeitplan sieht nun wie folgt aus.
CO2-Preise im nationalen Handel
Wie unsinnig dieses Herauszögern ist, zeigt sich, wenn man den CO2-Preis auf die Endkundenpreise der unterschiedlichen Energieträger umrechnet. Die folgende Tabelle zeigt, wie stark sich unterschiedliche fossile Energieträger dadurch verteuern. Diese Preissteigerungen betragen nur einen Bruchteil der gestiegenen Kosten infolge des Ukraine-Kriegs:
Preiserhöhungen

Das Geld fließt in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes. Für diesen plant die Regierung 2023-2026 mit einem Gesamt-Finanzvolumen von rund 134,3 Milliarden Euro.

Rund 65% des Geldes soll in den nächsten drei Jahren in Klimaschutzmaßnahmen fließen – allen voran in der Industrie und bei der Gebäudesanierung. Nur etwa 35% der Mittel fließen in die Entlastung der BürgerInnen, über die Abschaffung der EEG-Umlage.

So, wie der deutsche CO2-Preis ausgestaltet ist, wird er zumindest in den Anfangsjahren kaum etwas zur Verringerung der CO2-Emissionen in Deutschland beitragen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass die Emissionen 2021 durch den CO2-Preis von dann 25 €/Tonne nur um gut 1% sinken. Selbst bei einem Preis von 65 €/Tonne, wie wir ihn möglicherweise Ende der 20er-Jahre haben werden, wären es lediglich 8%. Zur Erinnerung: Legt man das noch verfügbare CO2-Budget zugrunde müsste Deutschland seine Emissionen eigentlich ab sofort um mehr als 5% pro Jahr senken, also bis 2030 um rund 50%!

Der ab 2027 geplante EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr hat dagegen zumindest das Potenzial, für eine Einhaltung der Sektorenziele in diesen Bereichen zu sorgen. Dafür muss er aber ohne Gratiszertifikate und sonstige „Schlupflöcher“ ausgestaltet werden. Und es braucht den politischen Willen, ihn auch bei sehr hohen CO2-Preisen weiterlaufen zu lassen.


In seiner momentanen Ausgestaltung hat der nationale Emissionshandel nicht nur ökologische, sondern auch soziale Nachteile. Das liegt weniger am Emissionshandel selbst. Sondern vor allem an der Art und Weise, wie die Bundesregierung das eingenommene Geld verwenden will. Das hat sie im Sommer 2022 in ihrem Wirtschafts- und Finanzplan für den Klima- und Transformationsfonds festgelegt.

65% davon fließen demzufolge in Einzelmaßnahmen, etwa zur Förderung der Gebäudesanierung, den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft oder die Dekarbonisierung der Industrie. Mit den übrigen 35% will der Staat die Absenkung der EEG-Umlage gegenfinanzieren. Diese Maßnahme senkt zwar auch für ärmere BürgerInnen die Stromrechnung, aber eben nicht nur für sie: Auch Unternehmen profitieren von der sinkenden EEG-Umlage. Außerdem haben reichere Haushalte meist einen höheren Stromverbrauch und profitieren damit überproportional von der Absenkung der EEG-Umlage.

In der Summe, so eine Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, haben die im Klimaschutzprogramm 2030 festgeschriebenen Maßnahmen eine leicht regressive Verteilungswirkung. Das heißt: Gemessen am verfügbaren Haushaltseinkommen werden ärmere Haushalte stärker belastet als reichere. Sozial gerechter wäre es laut Berechnungen des Mercator-Instituts, wenn man den BürgerInnen das Geld einfach per Klimadividende zurückerstatten würde.

Doch ganz egal, wie man das Geld verwendet, eine Herausforderung bleibt: Vor allem bei den ärmeren Haushalten gibt es eine enorme Streubreite. Einige werden spürbar entlastet, andere müssen erheblich mehr Geld zahlen. Das hängt unter anderem davon ab, ob die Menschen auf das Auto angewiesen sind oder nicht, und ob sie in einer kleinen Neubauwohnung leben oder in einem großen, schlecht gedämmten Haus, womöglich sogar mit Ölheizung.

Experten empfehlen daher, ärmeren Pendlern und Altbaubewohnern gezielt unter die Arme zu greifen, um die finanzielle Last durch den CO2-Preis zu lindern. Das wäre allemal besser als die viel kritisierten Erhöhung der Pendlerpauschale für Fernpendler, mit der die Bundesregierung einen Teil der Mehrbelastung durch den CO2-Preis kompensieren will. Diese kommt nämlich überwiegend Besserverdienenden zugute, weil vor allem sie es sind, die weite Pendelwege auf sich nehmen. Außerdem macht die höhere Pendlerpauschale das Autofahren günstiger und verringert so den Anreiz für die BürgerInnen, ihren CO2-Ausstoß zu senken, der von einem gut gemachten Emissionshandel ausgehen würde.

Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) – und damit der nationale CO2-Preis – betrifft nicht nur die Emissionen aus Privathaushalten und dem Verkehr. Es gilt auch für Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen sowie für kleine Industriebetriebe, die nicht am EU-Emissionshandel teilnehmen.

Das ist zumindest auf dem Papier so. Tatsächlich hat die Bundesregierung mit der Ende März 2021 beschlossenen Carbon-Leakage-Verordnung große Teile des produzierenden Gewerbes von der CO2- Bepreisung ausgenommen. Die Liste sogenannter beihilfefähiger Branchen umfasst 48 Industriesektoren und 13 sogenannte Teilsektoren – von der Zementherstellung bis zu Produzenten von Backhefe und Milchpulver. Unternehmen, die in diesen Bereichen tätig sind, bekommen je nach Sektor 60 bis 95% ihrer Kosten aus dem CO2-Preis erlassen – und zwar unabhängig davon, wie stark sie davon tatsächlich finanziell betroffen sind.

ExpertInnen kritisieren das. So sagt etwa Carolin Schenuit, Geschäftsführerin des Forums Ökologisch- Soziale Marktwirtschaft (FÖS): „Eine unternehmensbezogene Mindestschwelle ist entscheidend, um gezielt tatsächlich emissionsintensive Unternehmen herauszufiltern. Die nun beschlossene pauschale Entlastung schafft wieder eine Subvention nach dem Gießkannenprinzip. So werden auch Unternehmen entlastet, die den CO2 -Preis voll bezahlen könnten und sollten.“

Und damit nicht genug, denn die Unternehmen profitieren gleichzeitig von der Absenkung der EEG- Umlage, die aus dem „Klimapaket“ der Regierung finanziert wird. In diese Maßnahme fließt ein Teil der Einnahmen aus dem nationalen CO2-Preis. Nach Berechnungen des FÖS profitiert das produzierende Gewerbe in Deutschland 2021 von dieser Entlastung mit 2,4 Milliarden Euro. Das ist etwa sechsmal so viel wie die Kosten, die ohne die Carbon-Leakage-Verordnung durch den CO2-Preis angefallen wären.

Dazu sagt Swantje Fiedler, wissenschaftliche Leiterin des FÖS: „Fossile Brennstoffe teurer, Strom billiger: Das war die Idee hinter der Reform. Weitere Ausnahmen führen dazu, dass Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit doppelt entlastet werden: Einmal durch die Senkung der EEG-Umlage und ein weiteres Mal durch Ausnahmen vom CO2-Preis.“

EU-Klimapolitik und Emissionshandel


Bis 2030 will die EU ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 reduzieren. Diesen Beschluss fasste der EU-Rat im Dezember 2020. Auch die EU-Kommission spricht sich für dieses Ziel aus, das EU-Parlament plädiert sogar für eine Reduktion von 60%. Strittig ist außerdem noch die Frage, ob auch negative Emissionen (etwa durch die CO2-Absorption in Wäldern oder Mooren) auf das Klimaziel angerechnet werden. EU-Rat und EU-Kommission sind dafür, das Parlament dagegen. Wenn man diese Negativemissionen ausblendet, entspricht das 55%-Ziel der EU nur rund 52% „realen“ Emissionsminderungen bis 2030.

Bis 2050 will die EU dann völlig klimaneutral sein. Dafür werden nach Berechnungen der EU-Kommission zusätzliche Investitionen von 175 bis 290 Milliarden Euro jährlich gebraucht. Dem gegenüber stehen Einsparungen, weil künftig weniger fossile Brennstoffe importiert werden müssen. Sie könnten sich langfristig ebenfalls auf knapp 200 Milliarden Euro aufsummieren.

Die wichtigsten Instrumente der EU in der Klimapolitik sind

Im EU-Emissionshandel (EU Emission Trading System/EU ETS) sind die Treibhausgasemissionen aus Großkraftwerken, großen Industrieanlagen und dem innereuropäischen Luftverkehr erfasst. Sie machen insgesamt rund 45% aller EU-Emissionen aus. Wieviel davon pro Jahr eingespart werden müssen, legt die EU zentral fest.

Für die restlichen 55 % der Emissionen (Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft, Verkehr mit Ausnahme des Luftverkehrs) gelten dagegen nationale Emissionsziele. Sie werden im Rahmen der sogenannten EU-Lastenteilung (Effort Sharing) zwischen den EU-Mitgliedsländern ausgehandelt. Das soll sicherstellen, dass die Gesamtemissionen nicht über das Limit ansteigen, das sich die EU gesetzt hat.

Derzeit sind in der Lastenteilung Emissionsziele bis 2030 festgeschrieben. Sie unterscheiden sich je nach Wirtschaftskraft und derzeitigem Pro-Kopf-Ausstoß der einzelnen Länder. Wirtschaftsstarke Nationen wie Deutschland, Frankreich und Österreich müssen ihre Emissionen stärker senken als die meisten osteuropäischen Länder. Wenn sich die EU dazu entschließt, ihr Emissionsziel für 2030 zu verschärfen, würde das wohl in allen Bereichen Konsequenzen haben. Der Emissionshandel müsste reformiert werden, um die Emissionen dort schneller zu senken, und der Lastenausgleich wäre neu auszuhandeln. Für die Flottengrenzwerte und die Energieeffizienzrichtlinie hat die EU-Kommission bereits angekündigt, dass sie weitere Verschärfungen anstrebt.

Am europäischen Emissionshandel beteiligen sich die (ab 2021) 27 EU-Mitgliedsländer sowie Großbritannien, die Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein. Initiiert hat ihn die EU, weshalb er meist auch als „EU-Emissionshandel“ bezeichnet wird.

Seit seinem Start im Jahr 2005 hat der EU-Emissionshandel eine wechselhafte Geschichte hinter sich, die den Umfang dieser FAQs bei weitem sprengen würde. Im Folgenden konzentrieren wir uns daher auf seine Ausgestaltung in der sogenannten 4. Handelsperiode ab 2021. (Die erste Handelsperiode dauerte von 2005-2007, die zweite von 2008-2012 und die dritte von 2013-2020).

Einige Grundprinzipien sind jedoch seit 2005 konstant geblieben. Der EU-Emissionshandel ist ein sogenanntes „Cap-and-Trade“-System. Dabei wird die Gesamtmenge der CO2-Emissionen (das Cap) vorab festgelegt und anschließend eine entsprechende Menge an Emissionszertifikaten an die Teilnehmer des Emissionshandels ausgegeben. Dabei entspricht ein Zertifikat der „Erlaubnis“, eine Tonne CO2 auszustoßen.

Um die europäischen Emissionsziele einzuhalten, sinkt das „Cap“ bisher jedes Jahr um 2,2%. Dieser Wert wird als Linearer Reduktionsfaktor bezeichnet. Zu den Teilnehmern des Emissionshandels zählen Kraftwerke und große Industrieanlagen, seit 2012 auch Airlines, aber nur für den innereuropäischen Flugverkehr. Momentan sind das insgesamt rund 10.000 Anlagen, die zusammen knapp die Hälfte der europäischen (und etwa 5% der weltweiten) CO2-Emissionen verursachen.

Die Vergabe der Zertifikate übernehmen die einzelnen Teilnehmerländer. Welches Land wieviele Zertifikate vergeben darf und auf welche Weise diese an die einzelnen Marktteilnehmer verteilt werden, ist in den sogenannten „Nationalen Allokationsplänen“ festgeschrieben. Die Vergabe kann entweder durch kostenlose Zuteilung erfolgen oder dadurch, dass die einzelnen Länder die Zertifikate an die Marktteilnehmer versteigern. Während man in der Anfangsphase noch der größte Teil der Zertifkate kostenlos vergeben hat, werden derzeit knapp 60% aller Zertifikate versteigert. Kostenlose Zertifikate gehen vor allem an energieintensive Unternehmen, um zu verhindern, dass diese wegen der CO2-Preise ihre Produktion in Länder außerhalb Europas verlagern (das sogenannte Carbon Leakage). Andere Industriebetriebe erhalten derzeit nur noch rund 30% ihrer Zertifikate kostenlos. Für Kraftwerke gibt schon seit 2013 keine Gratiszertifikate mehr, da sie nicht direkt mit außereuropäischen Unternehmen konkurrieren und damit keinem Carbon Leakage-Risiko unterliegen.

Am Ende jedes Jahres müssen die Betriebe, die am Emissionshandel teilnehmen, für ihre Emissionen ausreichend Zertifikate besitzen. Besitzen sie diese nicht, drohen hohe Strafzahlungen. Die Betriebe haben also die Wahl, sich entweder gleich bei der Versteigerung durch den Staat mit ausreichend Zertifkaten einzudecken oder diese später von anderen Unternehmen nachzukaufen. Für den Zertifikatehandel zwischen den Unternehmen gibt es mehrere Handelsbörsen wie zum Beispiel die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig.

Lange war der CO2-Preis im EU-Emissionshandel extrem niedrig und das ganze System für den Klimaschutz entsprechend nutzlos. Der Grund: Jahr für Jahr waren mehr Zertifikate ausgegeben worden, als die Unternehmen benötigten – und weil die Zertifikate nicht verfielen, hatten die Unternehmen große Vorräte davon aufgebaut.

Um dem entgegen zu wirken, hat die EU 2019 die sogenannte Marktstabilitätsreserve eingeführt. Bis 2024 werden jährlich 24% der neu ausgegebenen Zertifikate in diese Reserve eingelagert, statt sie zu versteigern. Diese und andere Mechanismen haben dazu geführt, dass der Zertifikatepreis in den letzten Jahren von 5 Euro auf über 80 Euro pro Tonne CO2 gestiegen ist. Ab 2023 soll ein Teil der Zertifikate in der Markstabilitätsreserve auch dauerhaft gelöscht werden.

Langfristig strebt die EU mit der Marktstabilitätsreserve an, dass immer zwischen 400 und 833 Millionen Zertifikate im Umlauf sind. Sinkt die Menge unter 400 Millionen, können die jährlichen Auktionsmengen auch durch Zertifikate aus der Reserve aufgestockt werden, um den Anstieg des CO2-Preises zu dämpfen.
Zertifikatsüberschüsse Prognose
Voraussichtliche Zertifikatüberschüsse im EU-Emissionshandel 2018-2030 mit Marktstabilitätsreserve (MSR), in Millionen
Grafik: eigene Darstellung nach BMU 2018

Im Dezember 2022 hat die EU eine weitreichende Reform des EU-Emissionshandels beschlossen. Festgelegt wurde unter anderem:
• Die jährlich versteigerte Zertifikatemenge (Cap) soll stärker sinken – ab 2024 um 4,3 %/Jahr und dann ab 2027 um 4,4 %/Jahr. Bisher waren es nur 2,2 %/Jahr, also halb so viel.
• Außerdem wird das Cap zweimal zusätzlich gesenkt – 2024 um 90 Mio. t und 2026 um weitere 27 Mio. t. Das soll helfen die große Menge an Überschusszertifikaten, die sich immer noch im Markt befindet, zu senken.
Die Grafik unten verdeutlicht den Effekt der Reform. Dabei zeigt die blaue Linie die bisherige Planung. Die grüne Linie verdeutlicht den Effekt der höheren jährlichen Absenkung (linearer Reduktionsfaktor). Die gelbe Linie zeigt den nun beschlossenen, tatsächlichen Verlauf der Zertifikatemenge.
Zertifikatsüberschüsse Prognose
Noch entscheidender für den Klimaschutz ist die Gesamtmenge an Emissionen, die in den Sektoren des Emissionshandels bis 2030 noch ausgestoßen wird. Auch sie wird nach der Reform deutlich geringer ausfallen als bisher geplant:
Zertifikatsüberschüsse Prognose
Alles in allem werden die CO2-Emissionen in den Sektoren des EU-Emissionshandels bis 2030 um 62% gegenüber 2005 sinken. Nach bisheriger Planung wären es nur 42% gewesen.

Weitere Bestandteile der Emissionshandelsreform sind:
• Die Menge an Gratiszertifikaten, die die Industrie bisher erhält, soll bis 2034 schrittweise auf Null sinken. Die schrittweise Absenkung beginnt 2026.
• Stattdessen soll ab 2026 ein CO2-Grenzausgleich (vulgo: „CO2-Zoll“) für bestimmte CO2-intensive Güter greifen, die in die EU importiert werden.
• Ab 2027 wird ein zweiter EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr eingeführt.
• Ein Klimasozialfonds wird geschaffen. Er soll die Folgen hoher CO2-Preise in Europa für ärmere Haushalte abmildern.

Ende 2022 hat die EU beschlossen, ein neues zusätzliches und eigenständiges Emissionshandelssystem für Gebäude und den Straßenverkehr zu schaffen. Dieser neue EU ETS 2 (EU Emissions Trading Scheme 2) soll 2027 in Kraft treten und wird dann wohl den bisherigen deutschen Brennstoffemissionshandel ablösen. Mit seiner Einführung wären dann 75% aller CO2-Emissionen in Europa mit einem Preis belegt.

Ähnlich wie beim bisherigen deutschen CO2-Preis würden nicht die Verbraucher selbst die Zertifikate kaufen, sondern Importeure und Großhändler fossiler Brennstoffe. Man spricht daher von einer „Upstream-Bepreisung“ von CO2-Emissionen.

Wie der bisherige EU-Emissionshandel funktioniert auch das neue System nach dem Prinzip „Cap and Trade“: Jährlich versteigern die EU-Mitgliedsstaaten eine bestimmte Menge an CO2-Zertifikaten (Cap). Diese Menge sinkt jährlich um einen bestimmten Prozentsatz (Linearer Reduktionsfaktor). Ein vorab vereinbarter Schlüssel legt fest, welches Land wie viele Zertifikate versteigert. Hinterher können die Zertifikate EU-weit gehandelt werden (Trade). Der Verteilungsschlüssel zwischen den Ländern legt also nicht fest, wieviele Zertifikate in welchem Mitgliedsstaat „landen“. Er beeinflusst nur, mit wieviel Versteigerungserlösen (und damit Einnahmen) die Länder rechnen können.

Der Lineare Reduktionsfaktor, also die jährliche Senkung der Zertifikatmenge, wird im EU ETS 2 zu Beginn bei 5,1% liegen, ab 2028 sogar bei 5,38%. Damit wird er höher ausfallen als im „ersten“ EU-Emissionshandel (künftig 4,3% bz. 4,4%). Weil die CO2-Emissionen bei Gebäuden und Verkehr bisher aber nur langsam gesunken sind, haben diese Sektoren viel aufzuholen. Insgesamt werden sie ihre Emissionen mit dem neuen Handelssystem daher bis 2030 nur um 43% gegenüber 2005 senken. Beim ersten EU-Emissionshandel (EU ETS 1) für Industrie und Kraftwerke liegt diese Zielmarke bei 62%.

Die Grafik unten zeigt die Einsparziele der unterschiedlichen Sektoren im Vergleich. Dabei ist zu beachten, dass das offizielle EU-Ziel für sämtliche Emissionen zwar 55% betrifft, dies jedoch gegenüber dem Basisjahr 1990. Das entspricht gegenüber 2005 einer ca. 51%-igen Einsparung.
Zertifikatsüberschüsse Prognose
Kostenlose Emissionsrechte sind im neuen Emissionshandel – anders als im EU ETS 1 - nicht vorgesehen. Stattdessen greifen einige Sicherheitsvorkehrungen, um EU-BürgerInnen vor den Auswirkungen hoher CO2-Preise zu schützen:

• Bei „außerordentlich hohen“ Energiepreisen wird die Einführung des Systems vom 2027 auf 2028 verschoben.
• Bei der Einführung des Systems werden 30 Mio. Emissionszertifikate zusätzlich versteigert. Diese Zertifikatemenge wird dann von den Versteigerungsmengen der Folgejahre abgezogen – die Gesamtmenge bis 2030 bleibt also gleich. Diesen Mechanismus bezeichnet man als „Frontloading“, in Analogie zum „Backloading“, das im EU-Emissionshandel
• Wenn der CO2-Preis im EU ETS 2 auf über 45 €/t steigt, werden weitere 20 Mio. Emissionszertifikate zusätzlich versteigert, um den Preis zu dämpfen.
• Ein EU-weiter Klimasozialfonds soll ärmeren Haushalten unter die Arme greifen, die besonders von hohen CO2- und Energiekosten betroffen sind. Neben direkten Entlastungszahlungen werden daraus Maßnahmen etwa im Bereich des öffentlichen Verkehrs und der Gebäudesanierung gefördert.

Den Klimasozialfonds betrachten ExpertInnen als nützliches Werkzeug. Mit 90 Mrd. € dürfte er allerdings zu sparsam bemessen sein, um für wirklichen sozialen Ausgleich zu sorgen. Die übrigen Sicherheitsvorkehrungen sind aus Sicht des Klimaschutzes eher kritisch zu sehen. Es steht zu befürchten, dass sie die Wirksamkeit des Systems aufweichen.

Der EU-Emissionshandel umfasst nur den Treibhausgasausstoß aus Kraftwerken, großen Industriebetrieben und dem innereuropäischen Flugverkehr. Das sind ungefähr 45% aller Emissionen in der EU. Für die restlichen 55%, die vor allem im Straßenverkehr, dem Gebäudesektor, der Land- und Abfallwirtschaft entstehen, regelt die sogenannte EU-Lastenteilung (EU Effort Sharing), welcher EU-Mitgliedsstaat wie viele Emissionen einsparen muss.

Dazu definiert die Lastenteilung Zielwerte, die sich je nach Wirtschaftskraft und Pro-Kopf-Emissionen der einzelnen Länder voneinander unterscheiden. „Reichere“ Mitgliedsstaaten müssen mehr einsparen als „ärmere“. Die Tabelle unten zeigt die Ziele für 2020 und 2030 als prozentuale Veränderungen gegenüber dem Basisjahr 2005. Deutlich wird daraus, dass zahlreiche Länder ihren Treibhausgasausstoß bis 2020 sogar noch steigern durften. Das wird in den kommenden 10 Jahren nicht mehr der Fall sein.
Minderungsziele der EU-Mitgliedsstaaten
Minderungsziele der EU-Mitgliedsstaaten für den Treibhausgasausstoß gegenüber dem Basisjahr 2005.

Die Lastenteilung definiert aber nicht nur Ziele für 2020 und 2030, sondern auch für jedes Jahr dazwischen ein Treibhausgasbudget, das jedem Mitgliedsstaat zusteht. Hält ein Land das Budget in einem bestimmten Jahr nicht ein, stehen ihm bestimmte Flexibilitätsoptionen zur Verfügung wie zum Beispiel:

  • Es kann Emissionszuteilungen aus den Budgets vergangener Jahre nutzen, die es noch nicht ausgeschöpft hat, oder Zuteilungen aus den Budgets der Folgejahre vorziehen („Banking and Borrowing“). Diese Möglichkeit ist von 2021-2025 auf 10% seiner jährlichen Emissionen begrenzt, von 2026-2029 dann auf 5%.
  • Es kann sich Emissionszuteilungen anderer Länder übertragen lassen, die diese nicht nutzen. Dafür wird es in der Regel einen Preis zu zahlen haben. Auch diese Möglichkeit ist begrenzt – von 2021-2025 auf 5% und von 2026-2029 dann auf 10% seiner Jahresemissionen.
Bisher haben die EU-Länder solche Flexibilitätsoptionen kaum genutzt, auch weil für viele von ihnen bis 2020 nur sehr laxe Einsparziele galten. Das könnte sich in den kommenden Jahren rapide ändern. Wenn aber immer mehr Länder ihre Emissionsbudgets nicht einhalten, werden Staaten, die Emissionszuteilungen „übrig“ haben, sich diese fürstlich bezahlen lassen.

Wenn die CO2-Preise in Europa weiter steigen und in anderen Ländern nicht, haben energieintensive Industriezweige einen Anreiz, ihre Produktionsstätten in Länder außerhalb Europas zu verlegen, da sie auf diese Weise Kosten sparen. Der Fachausdruck hierfür lautet „Carbon Leakage“ – Europa bekäme also ein „Kohlendioxid-Leck“. Für das Klima wäre damit nichts gewonnen, denn die Treibhausgase würden weiterhin ausgestoßen – und in Europa gingen überdies Arbeitsplätze verloren.

Besonders anfällig für Carbon Leakage sind Industriesektoren, die einen großen Teil ihrer Gesamtkosten für Energie ausgeben und die stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Dazu zählt vor allem die sogenannte Grundstoffindustrie, also Stahl- und Metallverarbeiter, Chemieunternehmen, Zementhersteller sowie die Papier- und Zellstoffindustrie.

Aus der Vergangenheit gibt es keine Belege, dass Carbon Leakage in Europa wirklich stattgefunden hat. Allerdings waren die CO2-Preise im europäischen Emissionshandel auch lange Zeit sehr gering. Künftig kann das Problem Carbon Leakage durchaus wichtig werden. Das Potsdamer Mercator Research Institute schätzt, dass ohne Gegenmaßnahmen 5 bis 19% der in Europa vermiedenen CO2-Emissionen anderswo auf der Welt wieder „auftauchen“ würden.

Komplett vermeiden ließe sich Carbon Leakage nur, wenn überall auf der Welt der gleiche CO2-Preis g elten würde. Das wird so bald nicht eintreten. Doch auch ohne diese Optimallösung können sich die EU und Deutschland vor Carbon Leakage schützen.

Durch die kostenlose Vergabe von Emissionszertifikaten. In den letzten Jahren wurden rund 40% aller Zertifikate gratis an die Unternehmen vergeben, statt sie zu versteigern. Die folgende Grafik zeigt die momentanen Planungen für die Emissionsmenge bis 2030.

Die Menge an Gratiszertifikaten, die einem Unternehmen pro Jahr zusteht, ist in EU-weit einheitlichen Zuteilungsregeln festgelegt. Um sie für einen bestimmten Produkttyp zu ermitteln, multipliziert man drei Faktoren miteinander:

  • einen Zielwert (Benchmark) für das Produkt. Bisher hat die EU für 52 Produkte aus 21 Industriebranchen Emissionszielwerte, sogenannte Benchmarks, festgelegt. Sie geben ungefähr an, wieviel Treibhausgase die jeweils 10% energieeffizientesten Betriebe der Branche für die Herstellung einer bestimmten Menge eines Produkts ausstoßen. Der Produktbenchmark wird in Tonnen CO2 pro Tonne Produktionsmenge angegeben. Wenn es für ein Produkt kein Benchmark gibt, zieht man ersatzweise die Wärmemenge, die bei der Herstellung entsteht, zur Bemessung des CO2-Benchmarks heran.
  • multipliziert mit
    der jährlichen Durchschnittsmenge, die das Unternehmen in den letzten Jahren von diesem Produkt hergestellt hat.
  • multipliziert mit
    einem Faktor für das Carbon-Leakage-Risiko. Unternehmen mit hohen Energiekosten, die einem intensiven internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, führt die EU auf einer sogenannten „Carbon-Leakage-Liste“. Bei ihnen beträgt der Faktor 1,0. Das heißt, sie bekommen 100% ihrer Emissionen gratis, sofern sie den Benchmark einhalten, also zu den 10% effizientesten Betrieben der Branche gehören. Tun sie das nicht, müssen sie für den zusätzlichen Zertifikatebedarf bezahlen. Für alle anderen Industrieunternehmen gilt derzeit ein Faktor von 0,3. Sie erhalten also 30% ihrer Zertifikate gratis, wenn sie zu den 10% branchenweit effizientesten gehören. Bis 2030 soll der Faktor für sie jedoch auf Null sinken. Für Fluggesellschaften beträgt der Faktor im Moment 0,82, sie bekommen also 82% ihrer Zertifikate kostenlos.
Das folgende Schaubild verdeutlicht den komplexen Mechanismus bei der Gratiszuteilung.
Gratiszuteilung EU-Emissionshandel
Mechanismus bei der Gratiszuteilung im EU-Emissionshandel
Grafik: eigene Darstellung nach BMU 2018


Zur Erinnerung: Unter Carbon Leakage versteht man die Abwanderung energieintensiver Unternehmen wegen hoher CO2-Preise. Der bisherige Mechanismus, mit dem sich die EU im Emissionshandel davor schützt, ist nicht optimal. An seiner Stelle will die EU daher ab 2026 einen CO2-Grenzausgleich (englisch carbon border adjustment) einführen. Dieser wird an der EU-Außengrenze greifen und soll für mehr Chancengerechtigkeit zwischen Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU sorgen.

Ein idealer Grenzausgleich würde analog funktionieren wie die Mehrwertsteuer-Rückerstattung: Wenn Importe von außerhalb in die EU gelangen, werden sie mit dem jeweils aktuellen CO2-Preis aus dem EU-Emissionshandel belastet. Exporteuren wird dagegen der CO2-Preis für ihre Güter zurückerstattet.

Dabei gibt es allerdings verschiedene Schwierigkeiten:

• Es ist immens aufwändig, für sämtliche Waren den „enthaltenen“ CO2-Preis zu ermitteln, da dieser für alle Vorketten und Bestandteile einer Ware berechnet werden müsste.
• „CO2-Preis-Rabatte“ für Exporte widersprechen wahrscheinlich den derzeit gültigen Regeln der Welthandelsorganisation WTO.

Aus diesem Grund hat man in der EU einen Kompromiss beschlossen:

• Zunächst gilt der CO2-Grenzausgleich nur für bestimmte Grundstoffe, deren CO2-Fußabdruck leicht zu ermitteln ist. Dazu zählen zum Beispiel Stahl, Aluminium, Kunstdünger und Zement, aber auch elektrischer Strom und Wasserstoff.
• Außerdem gilt der Grenzausgleich zunächst nur für Importe in die EU. Bis 2025 will die EU-Kommission ein Konzept vorlegen, wie auch Exporte aus der EU vor Wettbewerbsnachteilen auf ausländischen Märkten geschützt werden können.

Der Grenzausgleich wird an der EU-Außengrenze greifen. Dabei werden auch Importprodukte mit dem jeweils aktuellen CO2-Preis aus dem EU-Emissionshandel belastet.

Für all diejenigen, die es genauer wissen wollen, noch ein Tipp: Einen guten Überblick über die Kriterien und Ausgestaltungsoptionen eines CO2-Grenzausgleichs gibt diese (englischsprachige) Studie.

Weitere Themen


Der weltweite Flugverkehr ist für 1,9% aller Treibhausgasemissionen und rund 3,5% des weltweiten Treibhauseffekts verantwortlich. Dass die Treibhauswirkung größer ist als der Anteil an den Emissionen, liegt unter anderem daran, dass der NOX-Ausstoß und die Kondensstreifen von Flugzeugen in großen Höhen die Erderwärmung zusätzlich antreiben.

Seit den 1980er-Jahren hat sich der CO2-Ausstoß des globalen Luftverkehrs in etwa verdoppelt und seit 1960 verdreifacht. Die Transportleistung des Luftverkehrs, gemessen in Personenkilometern, ist seit 1960 jedoch um das 75-Fache gestiegen. Das zeigt, dass die Branche heute durchaus viel effizienter mit fossiler Energie umgeht als vor 60 Jahren noch.
Entwicklung der CO2-Emissionen
Entwicklung der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr in absoluten Zahlen (rot) und relativ zu den Gesamtemissionen weltweit (blau)
Grafik: OurWorldinData.org/CC-BY

Dennoch gilt der Flugverkehr als Problempunkt für den internationalen Klimaschutz. Denn bei seinen derzeitigen Wachstumsraten wird es schwer fallen, ihn bis 2050 zu dekarbonisieren – also ganz ohne fossile Treibstoffe auszukommen.

Den Löwenanteil im Luftverkehr machen übrigens Passagierflüge aus. Bezüglich der Flugdistanzen halten sich Kurz-, Mittel- und Langstreckenflüge mit je einem Drittel Anteil an den Emissionen in etwa die Waage:
Emissionen aus dem Flugverkehr
Aufteilung der Emissionen aus dem Flugverkehr
Grafik: OurWorldinData.org/CC-BY

Seit 2012 müssen Fluggesellschaften für Flüge innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR, bestehend aus EU plus Großbritannien, Norwegen, Island und Liechtenstein) Emissionszertifikate im europäischen Emissionshandel erwerben. Für Flüge von und nach außerhalb des EWR gilt diese Verpflichtung nicht. Ebenso wenig für Flüge, die außerhalb des EWR sowohl starten als auch landen.

Einen Teil ihrer Zertifikate erhalten die Airlines dabei gratis, über die sogenannte kostenlose Zuteilung im Rahmen des EU-Emissionshandels. Die Menge der Gratiszertifikate entspricht 82% ihres Treibhausgasausstoßes aus den Jahren 2004 bis 2006. Weil aber der Flugverkehr in den letzten Jahren stark gewachsen ist, bekamen die Fluggesellschaften zwischen 2013 und 2017 de facto nur noch rund 55% ihrer Zertifikate gratis. Nach der letzten Reform des EU-Emissionshandels 2018 waren es sogar nur noch 39%.

Viel geholfen hat der Emissionshandel in der Branche aber bisher nicht: Der Flugverkehr zählt zu den Branchen mit den höchsten CO2-Vermeidungskosten überhaupt. Deshalb ist es für die Fluggesellschaften günstiger, fehlende Zertifikate im EU-Emissionshandel dazuzukaufen, als ihren Treibhausgasausstoß zu reduzieren.

Für den weltweiten Flugverkehr - einschließlich aller Flüge, die nicht im EU-Emissionshandel erfasst sind - strebt die internationale Luftverkehrsorganisation ICAO ein treibhausgasneutrales Wachstum ab 2020 an. Das heißt: Egal, wie viele Flugzeuge künftig in der zivilen Luftfahrt wie weit fliegen – die Treibhausgasemissionen sollen auf dem Stand dieses Jahres verharren. Mit technischen Mitteln allein ist das (bisher) nicht zu schaffen. Deshalb sollen die Fluggesellschaften ihr Wachstum auch kompensieren können, indem sie Zertifikate aus Emissionshandelssystemen kaufen oder Klimaschutzmaßnahmen außerhalb ihrer eigenen Branche finanzieren. So sieht es das 2016 eingeführte CORSIA-System (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) vor. Das System beginnt 2021 mit einer freiwilligen Pilotphase, an der rund 80 Länder teilnehmen. Ab 2026 soll die Teilnahme dann für alle Airlines aus den Unterzeichnerstaaten verpflichtend sein. Ausgenommen sind dabei allerdings Inlandsflüge sowie Flüge von und nach einigen Entwicklungsländern, die nicht an CORSIA teilnehmen.

Das Umweltbundesamt urteilt über CORSIA wie folgt: „Aus Sicht des UBA ist CORSIA – insbesondere aufgrund seines globalen Charakters – eine große Chance für mehr Klimaschutz im internationalen Luftverkehr, wenn die Regelung weiterentwickelt wird. In seiner jetzigen Ausgestaltung ist CORSIA nur ein erster Schritt und nicht ausreichend für die Erreichung des Paris-Ziels.“ Das liegt vor allem daran, dass das System nur Emissionen, die über das Niveau von 2020 hinausgehen, erfasst. Rund 700 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr – das ist fast ein Viertel der Gesamtemissionen von Deutschland – müssen die Airlines überhaupt nicht kompensieren.

Die Landwirtschaft ist der Sektor mit dem meisten Nachholbedarf in Sachen Klimaschutz. Von 1995 bis 2015 sanken ihre Emissionen in Deutschland gerade einmal um magere 4% - selbst der viel gescholtene Verkehrssektor brachte es in diesem Zeitraum auf knapp 10%.

In der Treibhausbilanz der Landwirtschaft schlagen – in absteigender Reihenfolge - vor allem drei Faktoren zu Buche:

  • Mengenänderungen der ober- und unterirdischen Biomasse. Je mehr pflanzliche Biomasse auf Feldern, Wiesen und in Wäldern steht, desto mehr Kohlenstoff ist darin gebunden. Reduziert man die Biomasse (z.B. durch das Abholzen von Wäldern), entstehen dabei früher oder später unweigerlich CO2-Emissionen – nämlich wenn die Biomasse verbrannt wird oder verrottet.
  • Methangasemissionen aus dem Verdauungstrakt von Tieren (in der Viehhaltung)
  • Lachgasemissionen aus Kunstdünger, der auf Ackerflächen ausgebracht wird.
Die Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsveränderungen und der Forstwirtschaft reguliert die EU ab 2021 in der sogenannten LULUCF-Verordnung. LULUCF steht für „Land Use, Land Use Change and Forestry“. Die Verordnung verpflichtet alle EU-Mitgliedsländer, bei der Landnutzung eine ausgeglichene Treibhausbilanz einzuhalten. Das heißt: Emissionen, die aus Ackerflächen und Grünland freiwerden, müssen im gleichen Zeitraum rein rechnerisch durch bestehende oder (wieder)aufgeforstete Wälder absorbiert werden. Für Länder, die das nicht schaffen, gibt es Flexibilitätsoptionen, die denjenigen in der EU-Lastenteilung ähneln. Sie können nicht angerechnete Negativemissionen aus den Vorjahren nutzen, Negativemissionen aus der Zukunft vorziehen oder Negativemissionen aus anderen Ländern zukaufen.

Die LULUCF-Verordnung erfasst die Emissionen aber nur relativ ungenau über pauschalisierte Flächenwerte. Wie die Flächen genau bewirtschaftet werden (konventionell oder im biologischen Landbau) und was genau darauf angebaut wird (z.B. Getreide, Wein oder Gemüse) bleibt in der Betrachtung ebenso außen vor wie die Methanemissionen aus der Viehhaltung.

Daher gab und gibt es immer wieder Überlegungen, wie sich bestimmte Praktiken mit besonders hoher Klimawirkung in der Landwirtschaft – etwa die Viehhaltung und der Verbrauch von Kunstdünger – mit einem Preis belegen lassen, der die durch sie verursachten Klimaschäden widerspiegelt.

Der Begriff „CO2-Preis“ führt in der Landwirtschaft eigentlich in die Irre, denn dort geht es vor allem um den Ausstoß von Methan aus der Massenviehhaltung und von Lachgas, das bei der Verwendung von Kunstdünger auf Feldern entsteht.

Doch auch in diesen Bereichen wäre es denkbar, Treibhausgasemissionen mit einem verursachergerechten Preis zu belegen. Beim Kunstdünger könnte sich dieser einfach an der verbrauchten Düngermenge bemessen. Er würde dann zweckmäßigerweise in Form einer Zusatzsteuer erhoben, die zusammen mit dem Kaufpreis des Düngers zu entrichten wäre.

Für die Methangasemissionen aus der Viehhaltung gibt es mehrere Konzepte, die Greenpeace 2020 in einer Studie vorgestellt hat: Man könnte entweder eine jährliche Abgabe für jedes Tier erheben, die ein landwirtschaftlicher Betrieb hält. Die Abgabenhöhe wäre einfach zu ermitteln, da die Höfe ihre Tierbestände (etwa bei Schafen und Schweinen) entweder jährlich an die Behörden melden oder sogar jedes einzelne Tier (z.B. bei Rindern) registrieren lassen müssen.

Für die Abgabenhöhe wäre die durchschnittliche Methangasmenge maßgeblich, die eine bestimmte Tierart jährlich ausstößt.

Beim zweiten Konzept wird die Treibhausgas-Abgabe dagegen auf tierische Produkte wie Fleisch, Eier, Milch und Käse erhoben. Für deren durchschnittlichen „Methan-Fußabdruck“ gibt es mittlerweile Standardwerte, die mithilfe von Ökobilanzen errechnet wurden. Hier ein Rechenbeispiel, das von einem CO2-Preis von 180 Euro je Tonne ausgeht:
Treibhausgasemissionen bei tierischen Produkten
Treibhausgasemissionen bei der Herstellung tierischer Produkte und resultierende CO2-Abgabe
Grafik: eigene Darstellung nach Greenpeace/FÖS 2020

Bei beiden Abgabenvarianten würden die Preise von Bioware und konventionellen Lebensmitteln gleichermaßen steigen, da die Methanemissionen von Bio-Rindern sich faktisch nicht von konventionell gehaltenen unterscheiden. (Alles andere wäre auch überraschend, da die Tiere anatomisch die gleichen sind). Allerdings würde insgesamt ein Anreiz entstehen, weniger tierische Produkte zu konsumieren, was dem Klima zugute käme. Denn noch immer liegt der Fleischkonsum um das Zwei- bis Dreifache höher als die Menge von 300-600 g wöchentlich, die die Deutsche Ernährungsgesellschaft empfiehlt. Und rechnet man den Anbau von Futtermitteln auf heimischen Feldern mit ein, ist die Tierhaltung für mehr als zwei Drittel der Gesamtemissionen aus der Landwirtschaft verantwortlich.

Die Pro-Kopf-Abgabe wäre von den beiden Varianten verwaltungstechnisch einfacher umzusetzen. Denn anders als es die Tabelle oben suggeriert, haben wir es in der Lebensmittelwirtschaft oft nicht mit reinen Produkten zu tun, sondern mit industriell hergestellten, die eine Vielzahl tierischer Erzeugnisse in unterschiedlichen Gewichtsanteilen enthalten. Für sie müsste jeweils ein individuell angepasster CO2-Preis berechnet werden. Ferner würde die Produktabgabe nur auf in Deutschland verkaufte Lebensmittel erhoben. Von den 8 Millionen Tonnen Fleisch, die Deutschlands Schlachthöfe erzeugen, werden aber nur 5 Millionen Tonnen im Inland konsumiert. Mit einer Produktabgabe würde der inländische Konsum voraussichtlich sinken und es würden einfach mehr Fleisch- und Milchprodukte ins Ausland exportiert. Demgegenüber hat die Pro-Kopf-Abgabe den Nachteil, dass sie nur inländische Erzeugnisse verteuert und so tendenziell Fleischimporte begünstigt.

In den bisherigen Überlegungen war nun stets von einer CO2-Abgabe die Rede. Im Fall der Lachgasemissionen aus Kunstdünger, aber auch aus Gülle, wäre prinzipiell auch eine Integration in den bestehenden EU-weiten oder nationalen Emissionshandel möglich. Denn die Düngemittelverordnung (DeV) fordert den Betrieben jetzt schon ab, über die Menge des auf ihren Feldern ausgebrachten Düngers Buch zu führen.

In der Viehhaltung ließe sich dagegen laut einer Studie des Umweltbundesamts nur die Pro-Kopf-Pauschale durch einen Emissionshandel ersetzen. Dann müsste jeder Landwirt für die Anzahl der Tiere, die er auf seinem Hof hält, entsprechend Zertifikate ersteigern. Die Anzahl der Betriebe, die am Emissionshandel teilnimmt – und damit auch die Komplexität des Handelssystems -, würde dadurch jedoch sprunghaft steigen. Dazu ein Vergleich: In Deutschland gibt es immer noch mehr als 250.000 landwirtschaftliche Betriebe. Am EU-Emissionshandel nehmen dagegen rund 11600 und am nationalen Emissionshandel sogar nur 4000 Betriebe teil.